Die Serie „Wie ich (nicht) Prof. geworden bin“ beschreibt Wege von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Lebenszeitanstellung mit Professur – oder die Gründe, warum sie doch einen anderen Weg gegangen sind. In Folge 1 sprachen wir mit Dr. Ali Sunyaev, seit März 2016 Professor an der Universität Kassel.
Wann und warum haben Sie sich entschieden Wissenschaftler zu werden?
Das war vor etwa zehn Jahren, während des zweiten oder dritten Jahres meiner Promotion. Zum Ende meines Studiums hatte ich die Möglichkeit zu promovieren. Ich hatte da noch keine großen Pläne für die Zukunft und habe dann jung und naiv, wie ich war, erst einmal damit angefangen. Bei der Arbeit habe ich dann erlebt, dass meine Forschung Anklang in der Community findet. Ich konnte weltweit Konferenzen besuchen, das hat mir in den jungen Jahren sehr gefallen. Und ich habe in der Wissenschaft viele spannende Persönlichkeiten getroffen und auch Freunde gefunden. Vor allem habe ich aber gemerkt: Ich kann erstens in diesem Umfeld mithalten und zweites macht es unglaublich viel Spaß an den Themen zu arbeiten, die einen faszinieren.
Und irgendwann habe ich mir dann gesagt: So ein Leben wie mein Professor hat, das kann ich mir auch gut vorstellen.
Was haben Sie dafür getan, um Wissenschaftler zu werden?
Der Weg in die Wissenschaft lief für mich nicht über einen Geniestreich, sondern über kontinuierliche Arbeit. Wenn man sich aber für etwas begeistert, fühlt es sich nicht wie Arbeit an und man zählt die Stunden nicht. Wenn ich das so reflektiere, wurde meine wissenschaftliche Arbeit praktisch auch zu einem meiner Hobbies.
Insgesamt – und das läßt sich absolut festhalten – habe ich viel Zeit in meine Arbeit gesteckt, vor allem während meiner Juniorprofessur. Dort hatte ich eine befristete Zeit, um meine Vorgaben zu erreichen. Mit den „Vorgaben“ ist vor allem die Forschungsarbeit, die in Publikationen mündet, gemeint. Daneben haben Universitäten aber noch die Aufgaben Lehre und Selbstverwaltung. Auch hier habe ich mich engagiert, habe selbstverständlich Lehrveranstaltungen gehalten und viele Stunden in allen möglichen Gremiensitzungen zugebracht. Ich danke meiner Frau, dass sie das alles mitgemacht hat. Denn in diese Phase fielen auch unsere Hochzeit und die Geburt unserer Tochter.
Was glauben Sie, warum es bei Ihnen geklappt hat?
Letztlich kann man das nicht so genau sagen. Es gibt sicher harte Faktoren: wie man publiziert hat, wie man in der Lehre, in der Selbstverwaltung der eigenen Universität bzw. der wissenschaftlichen Community und in der Forschung engagiert ist. Es ist aber nicht so, dass wenn man sich in der Uni-Verwaltung engagiert, eine ausgezeichnete Lehre macht und interessante Forschungsbeiträge publiziert automatisch einen Ruf auf eine Professur bekommt. Da gibt es auch weiche Faktoren, wo man studiert und promoviert, welche internationale Aufenthalte man absolviert hat und vielleicht auch, wie man als Mensch ankommt. Da erzähle ich Ihnen aber wahrscheinlich nichts Neues. Letztlich kamen in meinem Fall wohl mehrere Dinge zusammen: Vor allem ausschlaggebend war sicherlich, dass meine Forschung zu dem ausgeschriebenen Profil der Stelle gepasst hat. Dann war ich auch zur richtigen Zeit mit meiner Juniorprofessur so weit, dass ich berufungsfähig war. Parallel hatte ich auch noch einen Ruf an eine andere Universität. Es ist ja nicht so, dass man sein Lebensweg von A bis Z durchplant, sondern es gibt auch unvorhergesehene Entwicklungen. Ein bisschen Glück und Zufall ist immer dabei, auch bei mir.
Was glauben Sie, warum es bei anderen nicht geklappt hat?
Jetzt gerade fällt mir zum Beispiel keine Kollegin oder kein Kollege ein, zumindest nicht in meinem Fach, die/der es nicht geschafft hätte. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die ins Ausland gegangen sind, das ja. Es ist wie in diesem einen Jimmy-Cliff-Song: „You can get it if you really want, but you must try, try and try … and you’ll succeed at last“ Wenn man immer weiter auf ein Ziel hin arbeitet, ist es nicht immer, aber meistens so, dass man es auch erreicht. Zumindest habe ich mir das immer eingeredet und tue es eigentlich auch nach wie vor.
Was tun Sie jetzt? Wie zufrieden sind Sie damit?
Es ist wie bei vielen Stufen, die man erreicht hat: Man hat zum Beispiel lange auf sein Abitur hingearbeitet. Während man dabei ist, kommt es einem als eine sehr hohe Hürde vor. Rückblickend war es dann ein Meilenstein, aber auch nicht so schwierig und groß wie der nächste.
Ich arbeite jetzt weiter an meinen Forschungsthemen, in die ich während meiner Juniorprofessur eingestiegen bin. Für meine Lehre, die Drittmittelakquise, mein Engagement in der Verwaltung habe ich Ziele und Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Ich bin auf jeden Fall glücklich, dass ich meinen Weg in der Wissenschaft gehen kann. Wissenschaft bedeutet für mich in erster Linie an Themen zu arbeiten, die mich begeistern und die ich auch selbst festlegen kann. Das ist ein unglaublich hohes Maß an Selbstbestimmung. Und diese Selbstbestimmung möchte ich nicht mehr missen. Ich arbeite sehr gern im Team, die besten Einfälle/Ideen habe ich nicht unter der Dusche, sondern diese ergeben sich aus Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie generell im Austausch mit aufgeschlauten Personen. Neben den besten Ideen treffe ich in dieser Umgebung öfters – das lehrt mich die Erfahrung – gute Entscheidungen.
Ob ich inzwischen weniger arbeite als früher, das glaube ich nicht. Ich nehme mir aber bewusst Zeit für meine Familie und für mich und schaffe Freiräume dafür. Mein Beruf ist aber auf jeden Fall immer noch mein Hobby, das mich erfüllt. Gleichzeitig weiß man nie was die Zukunft bringen wird. Ich würde eine Managamenttätigkeit in der Industrie bzw. in der Wirtschaft niemals ausschließen, da gibt es sicherlich auch sehr reizvolle Möglichkeiten.
Mehr Infos zum Lehrstuhl von Ali Sunyaev: Chair for Information Systems and Systems Engineering