Es ist in den vergangenen Wochen nicht Weniges geschrieben worden über die Situation der befristet beschäftigten Angehörigen des akademischen Mittelbaus an deutschen Hochschulen. Neu entfacht wurde die Debatte durch die sog. Bayreuther Erklärung der deutschen Universitäts-Kanzler*innen, zu der auch an dieser Stelle bereits pointiert Stellung genommen worden ist. Im Tagesspiegel (08.10.2019, 25.10.2019), in der Süddeutschen Zeitung, im Deutschlandfunk, im Blog von Jan-Martin Wiarda (15.11.2019, 09.10.2019) sowie von Seiten der GEW sind verschiedene Artikel bzw. Stellungsnahmen hierzu erschienen – die hier genannten stellen dabei lediglich eine Auswahl an Beiträgen dar.
In sozialen Medien wie Twitter und Facebook ging die Diskussion weiter, oft begleitet von dem Hashtag #FristIstFrust. Auch wenn aufgrund des öffentlichen Drucks mittlerweile einige Universitäten vom Diktum der Bayreuther Erklärung, Universitäten seien reine Qualifizierungssysteme, zurückrudern – so geschehen etwa an der Universität Hamburg – bleibt die Diskussion rege und es ist zu erwarten, dass auch noch weitere Universitäten dem Hamburger Beispiel folgen werden.
Neu entfacht bedeutet auch, dass die Diskussion in dieser Frage schon länger schwelt: Seit Monaten regt sich Unmut über die Beschäftigungssituation – exemplarisch hierfür steht etwa der Beitrag von Anja Nehls im Deutschlandfunk. Als weitere Reaktion dazu haben sich Initiativen gebildet – lokale Mittelbauvertretungen vor Ort, aber auch gewerkschaftlich organisierte Gruppen wie Frist-ist-Frust oder das 2017 bei uns in Leipzig gegründete „Netzwerk Engagierte Wissenschaft“ – kurz: NGAWiss (siehe dort auch den kürzlich veröffentlichten Beitrag zu seiner Genese von Peter Ullrich). Auch öffentlichkeitswirksam äußert sich NGAWiss zur Situation des Mittelbaus.
An der Universität Leipzig setzt sich die Mittelbauinitiative (MULE) für bessere Arbeitsbedingungen der Hochschulangehörigen ‚unterhalb‘ der Professur ein. Eine der vordringlichen Tätigkeiten der Initiative war im Jahr 2018 die Erarbeitung eines Personalstrukturmodells. Damit unterbreiten wir einen konkreten Vorschlag für Personalkategorien, die alternative Karrierewege zur Professur aufzeigen. Inspirationen für das Modell der MULE sind das Personalmodell der Universität Bremen und die Evaluierungsordnung für Professuren an der der HU Berlin.
Das Ziel des Leipziger Vorschlags ist eine langfristige Erhöhung entfristeter Stellen (Ziel: 50 % befristet, 50 % entfristet). Wichtig ist auch, dass Leistung durchaus belohnt werden soll – dies bedeutet für uns, dass neben Exzellenz in Forschung und Lehre auch Aufgaben Anerkennung finden, die grundlegend zum Erhalt des Hochschulbetriebs beitragen, sich aber weniger in der Vita niederschlagen (z. B. Aufgaben in Lehrinnovation, Öffentlichkeitsarbeit, extracurriculare Aktivitäten und Aufgaben im sog. ‚Third Space‘).
Damit wird aus unserer Perspektive die Universität gestärkt, denn Einrichtungen bekommen die Möglichkeit, außerhalb der Professur hochqualifizierte, engagierte und erfahrene Mitarbeiter*innen nachhaltig in Forschung und Lehre, aber auch im Wissenschaftsmanagement bzw. ‚Third Space‘ zu beschäftigen. Dazu sollen entsprechende Stellen geschaffen werden, die eine Schwerpunktsetzung zulassen, gleichzeitig die Einheit von Forschung und Lehre wahren und Aufgaben im Wissenschaftsmanagement und ‚Third Space‘ erstmals abbilden.
Vorschlag Personalstrukturmodell der MULE
Im Zuge der sächsischen Landtagswahlen hat MULE wiederholt und gezielt das Gesprächen mit Landtagsabgeordneten gesucht, die im Ressort Hochschulpolitik tätig sind. Ein zentrales Thema war dabei immer wieder die Frage, wie eine Entfristung von Mitarbeitenden alternativ zur Professur realisiert werden könnte. Aus den Gesprächen konnte der Eindruck gewonnen werden, dass aufseiten der Politik durchaus eine Sensibilität für das Thema und Verständnis für Betroffene vorhanden sind, es jedoch z. T. an den entsprechenden Ideen und gezielten Strategien für eine konkrete Umsetzung mangelt. Das Personalmodell der MULE wurde von den Vertreter*innen der (voraussichtlich) zukünftigen Regierungsparteien mit Interesse zur Kenntnis genommen. Daher kann der nun vorliegende Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen als Erfolg gewertet werden. Denn dieser enthält die Formulierung:
„Durch neue Personalkategorien in den Schwerpunkten Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement schaffen wir Karrierewege neben der Professur für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“ (S. 17)
Es bleibt abzuwarten, wie diese neuen Personalkategorien in der geplanten Novelle des sächsischen Hochschulgesetzes mit Inhalt gefüllt werden. Wir hoffen, dass damit eine Möglichkeit geschaffen wird, wissenschaftlichen Mitarbeitenden in unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten einen internen Aufstieg jenseits der Professur zu ermöglichen, der mit einer Entfristung einhergeht. Eine entsprechende Stellenausschreibung am Institut für Politikwisssenschaft der Universität Leipzig sorgt bereits für Zustimmung.
Hervorzuheben ist außerdem der Plan der zukünftigen Landesregierung, die Mittel des Zukunftsvertrags dazu zu nutzen, Stellen an den sächsischen Hochschulen dauerhaft abzusichern (S. 15). Nicht zuletzt begrüßen wir – wie auch der Promovierendenrat der Uni Leipzig es bereits hervorgehoben hat – die geplante Verbesserung der Rechte von Promovierenden in Form einer verpflichtenden Promotionsvereinbarung sowie die Einführung eines verfassten Vertretungsgremiums (S. 17).
Weitere Punkte des Koalitionsvertrags umfassen den bedarfsgerechten Ausbau von Kapazitäten der Hochschulen in Bereichen mit hohen Fachkräftebedarf wie der Medizin und der Pädagogik, aber auch eine Sicherung der „Kleinen Fächer“. Das Grundbudget soll ab 2021 „spürbar“ erhöht werden – einhergehen mit einer gesteigerten Autonomie der Hochschulen. Dafür soll ab 2020 eine Novellierung des Hochschulfreiheitsgesetzes stattfinden, bei der auch die nicht unumstrittenen Zuständigkeiten von Hochschulräten, Rektoraten und Senaten neu betrachtet werden.
Zahlreiche Abschnitte des Koalitionsvertrags beschäftigen sich mit Digitalisierungsthemen – so auch im Abschnitt zu den Hochschulen. Gerade bei projektbasierter Forschung, die in der Regel von befristeten Mitarbeitenden durchgeführt wird, sind Strategien einer nachhaltigen Archivierung von Forschungsdaten von immenser Wichtigkeit.
Des Weiteren bekennt sich die zukünftige Koalition durch mehrere geplante Maßnahmen zur Förderung von Frauen, Minderheiten und verspricht die Anwerbung talentierter Mitarbeitender und Studierender aus dem Ausland.
Es ist zudem zu begrüßen, dass von einer Reduzierung der derzeitigen Studierendenzahl abgesehen wird und das Studium auch weiterhin gebührenfrei bleibt.
Diese von der neuen Landesregierung angestoßenen Entwicklungen stimmen uns positiv und wir hoffen, dass der politische Wille zur Verbesserung der Situation im Mittelbau die Hochschulen zum Handeln bewegen wird. Die MULE wird diese Entwicklung weiter aktiv begleiten und wir wünschen uns, dass Sachsen somit zu einem Vorreiter in der Wissenschaftspolitik wird – wie es bereits in der Präambel des Koalitionsvertrags (S. 4) steht: „Bildung und Wissenschaft sind die Schlüssel, damit Sachsen auch in Zukunft seine Potenziale voll entfalten kann.“