Am 26. September 2021 hat Deutschland einen neuen Bundestag gewählt. Aktuell laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Langsam aber sicher zeichnet sich eine Regierungsbildung ab. Doch kommt mit einer neuen Bundesregierung nun wirklich der seit vielen Jahren beschworene „Kulturwandel“ im deutschen Wissenschaftssystem?
Die Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur (DGJ) setzt sich seit fast 20 Jahren für moderne Karrierewege in der deutschen Forschungslandschaft ein. Ihre Kernanliegen sind die Schaffung von Transparenz und Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere. Hierfür sind insbesondere die frühe Selbstständigkeit von Wissenschaftler:innen mit Führungsverantwortung von Bedeutung.
Um dies zu erreichen, befürwortet sie ausdrücklich die begonnenen Anstrengungen, die in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (WISNA) in die Wege geleitet wurde. Doch das Ziel einer flächendeckenden Einführung von Tenure Track in Deutschland ist noch lange nicht erreicht.
Um die Tenure-Track-Professur weiter zu stärken, ist es unabdingbar, das WISNA-Programm weiter fortzuführen, auszubauen und stetig durch ein transparentes Monitoring zu begleiten. Nur durch eine entsprechende Datenerfassung, die weit über das bisher erfolgte WISNA-Monitoring hinausgeht, kann überhaupt erst überprüft werden, ob der angestrebte Kulturwandel an den einzelnen Hochschulen und in den verschiedenen Fächerkulturen wirklich einsetzt. Dazu bedarf es dringend regelmäßiger Erhebungen und der Veröffentlichung von Daten über Karrierewege nach der Promotion. Leider geschieht dies aktuell noch nicht in ausreichendem Maße, um als Grundlage für weitreichende politische Entscheidungen zu dienen. Dies zeigt unter anderem die jüngst erschienene UniKoN-Publikation „Dr. Unbekannt“.
Transparenz durch Datenerfassung herzustellen, ist insbesondere wichtig, um Vertrauen in die Programmprozesse (wieder) herzustellen. Die Absichtserklärungen der Länder zum Stellenaufwuchs der durch das Bund-Länder-Programm geförderten Tenure-Track-Professuren waren eine wesentliche Voraussetzung, um die Fördermittel überhaupt erst zu erhalten. Diese Förderbedingung muss nun eingehalten bzw. deren Einhaltung überprüft werden. Das Vertrauen in das Fördersystem zu stärken und die konsequente Sanktion bei Vertragsbruch ist demnach zentral und entscheidend für eine abschließende Erfolgsbeurteilung des Programms, in dem es keine „verlorene Generation“ gibt.
Eine weitere Maßnahme, um über das Programm hinaus ein transparentes Karrieresystem über Fächergrenzen hinweg zu schaffen, ist die Verankerung eines hohen Tenure-Track-Anteils als Bewerbungsvoraussetzung für die Teilnahme an institutionellen Förderprogrammen festzuschreiben. Das erhöht den Druck auf die Hochschulen, kontinuierlich den Ausbau transparenter und planbarer Karrierewege voranzutreiben.
Zusammenfassend sind unseres Erachtens folglich drei Maßnahmen notwendig, um den angestoßenen, aber längst nicht abgeschlossenen Kulturwandel zu ermöglichen:
- die anhaltende und nachhaltige Förderung von Tenure-Track-Professuren,
- ein kontinuierliches und kritisches Monitoring von Tenure-Track-Professuren sowie
- der Verankerung eines Tenure-Track-Anteils als elementarer Förderbedingung.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die regierungsbildenden Parteien auf konkrete Maßnahmen verständigen, welche die Nachhaltigkeit, Transparenz und Konsequenz in der Umsetzung gewährleisten. Nur wenn es ihnen gelingt, ein Programm für den Kulturwandel zu beschließen, können sie in den kommenden vier Jahren die Zukunft des Wissenschaftssystems wirklich gestalten und grundlegend verändern.