Zwei Jahrzehnte ist sie her: die Einführung der W-Besoldung für Professuren. Mit der Umstellung wurde nicht nur die Kategorie der Juniorprofessur (W1) neu etabliert, sondern auch das Aushandeln von individuellen Leistungszulagen ermöglicht, die zum Grundbehalt hinzukommen. Damit sollten wissenschaftliche Arbeitgeber konkurrenzfähiger gemacht werden. Was damals vielen als notwendig erschien, um die Hochschulen der Privatwirtschaft anzugleichen, ist aus heutiger Sicht dringend wieder reformbedürftig. Bisher sind die Reformrufe verhallt, doch angesichts des auch die Wissenschaft immer mehr treffenden Fachkräftemangels ist es dringend notwendig, neben denen seit #IchBinHanna stark im Fokus stehenden Beschäftigungsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen endlich auch die Professuren stärker in den Blick zu nehmen. Ich möchte in diesem Artikel daher zwei Aspekte hervorheben – und ein paar Lösungsvorschläge erarbeiten, in welche Richtung eine Reform der Professurenbesoldung gehen müsste, um die bestehenden Probleme aus der Welt zu schaffen.
Der ungeklärte Status der W2-Professur
Reformbedarf in Bezug auf die W-Besoldung besteht zunächst vor dem Hintergrund des jüngsten Ausbaus der Tenure-Track-Professuren. Wenn der Ruf immer häufiger nicht direkt auf Lebenszeit erfolgt (wie vor es vor 20 Jahren die Regel war), sondern befristete ‚Einstiegsprofessuren‘ nach einer bestimmten Zeit in Lebenszeitprofessuren übergehen, entsteht eine bei der damaligen Reform nicht absehbare veränderte Gesamtlage. Dies betrifft besonders den Status der W2-Professur. Denn TT-Professuren setzen in der Regel auf einer niedrigeren Stufe ein; mit der Verstetigung wird die höhere erreicht. Nun kann ein solcher Schritt aber genauso der von einer befristeten W1- auf eine unbefristete W2-Professur wie der von einer befristeten W2- auf eine unbefristete W3-Professur sein.
Das Nebeneinander von befristeten W2-Professuren für ein ‚frühes Karrierestadium‘ und unbefristeten Positionen derselben Besoldungsgruppe für etablierte Wissenschaftler*innen muss beseitigt werden, denn es schafft rechtliche Unsicherheiten und an vielen Stellen auch Karrierenachteile. Wer z. B. habilitiert ist oder eine positiv evaluierte Juniorprofessur vorweisen kann, fällt als Bewerber*in für TT-Professuren in aller Regel aus. In diesem Fall wird die Qualifikation, die vorher als Grundvoraussetzung für die Professur galt, plötzlich zu einer Sackgasse und verhindert, dass man überhaupt noch berücksichtigt werden kann – es sein denn, die Kommission setzt sich über die eigentliche Vorgabe hinweg und beruft Personen, die durchaus nicht mehr in einem ‚frühen Karrierestadium‘ sind, was dann aber den Zielsetzungen der TT-Professur entgegensteht und anstelle der früheren Karriereentscheidung eher die ‚Bewährungsphase‘ um noch eine weitere Stufe verlängert. Mitunter werden aufgrund von bestehenden Unklarheiten innerhalb von Berufungskommissionen Menschen auf TT-Professuren berufen, von denen man später feststellt, dass man sie zu den gegebenen Bedingungen nicht hätte berufen dürfen, womit das zuständige Ministerium die Berufung ablehnt und das Verfahren neu starten muss. Dies ist umso wahrscheinlicher, weil die Landeshochschulgesetze traditionell für W2-Professur sehr wohl die klassische Berufbarkeit voraussetzen und auch die Gepflogenheiten in den einzelnen Fächern häufig von diesem Muster ausgehen.
Eine solche Situation ist für alle Beteiligten unzumutbar – für die Bewerber*innen genauso wie für die ausschreibenden Institutionen und ihre aus guten Gründen primär nach fachlicher (und nicht hochschulrechtlicher) Expertise zusammengesetzten Berufungskommissionen. Nötig ist deshalb eine Klarstellung der Rechtslage von Seiten des Gesetzgebers. Will man das System aus ‚Einstiegsprofessur‘ und ‚Zielprofessur‘ beibehalten, braucht es zwei, nicht drei Besoldungsgruppen. Dies spräche für eine Streichung der W2-Professur, wie sie in Baden-Württemberg in der Praxis der Fall ist. Das System aus drei Besoldungsgruppen könnte aber auch erhalten bleiben, wenn man die dritte für weitere Beförderungen (etwa Leitungsämter) vorsieht. In diesem Fall würde man z. B. entweder ohne traditionelle Berufbarkeit auf eine TT-Professur gelangen, die auf W1 startet und schließlich in eine unbefristete W2 übergeht oder die Berufung erfolgt ohne Tenure Track direkt auf W2, sofern die entsprechenden Voraussetzungen (Habilitation bzw. Habilitationsäquivalenz) vorliegen. Eine W3-Besoldung könnte dann für die Übernahme von Rektorats- oder Präsidiumsposten etabliert werden. Selbstredend müsste bei einer solchen Umstellung über die Besoldungshöhen diskutiert werden – insbesondere dann, wenn man im Rahmen der Reform auch die Praxis der Leistungszulagen verändert, was empfehlenswert wäre.
Ungewollte Nebeneffekte von Leistungszulagen
Denn diese wirft eine Reihe von eigenen Problemen auf. Erstens hat das System der Leistungszulagen an den Hochschulen nicht nur zu einer Umverteilung von Mitteln von unten nach oben geführt, weil Zulagen bei Professuren üblich sind, nicht aber bei den Tarifbeschäftigen. Außerdem wird häufig zu Recht kritisiert, dass die Zulagenvergabe sehr intransparent ist und nachweislich den Gender Pay Gap in der Wissenschaft fördert. In diesem Sinne gibt es also aus schon Gerechtigkeitsgründen hier einen weiteren Anlass, die W-Besoldung in ihrer bisherigen Form auf den Prüfstand zu stellen.
Einer zweiter bedeutender Nachteil des aktuellen Systems besteht überdies darin, dass Professor*innen, die ihre Leistungszusagen erhöhen oder verlängern wollen, in der Regel externe Rufe benötigen, um mit ihrer Heimathochschule nachverhandeln zu können. Dies schafft einen Anreiz, sich auf Professuren zu bewerben, die man selbst gar nicht ernsthaft antreten will, nur um Gehalt und Ausstattung auf der aktuellen Stelle zu verbessern. Die Folge: Bereits berufene Professor*innen haben aufgrund ihrer längeren Publikationsliste und anderen Kriterien bei Berufungsverfahren höhere Chancen auf Listenplätze zu gelangen, nehmen die Rufe aber häufig nicht an. Damit scheitern unnötig viele Berufungsverfahren, was enorme Zeitressourcen verschlingt und verhindert, dass Personen, die noch keine Professur haben, für diese aber sehr gut geeignet wären, einen Ruf erhalten, bevor sie die Wissenschaft mangels brauchbarer Perspektiven verlassen. Die Leistungszulagenpraxis führt also in ihrer derzeitigen Form dazu, dass die Wissenschaft Stellen unnötigerweise nicht oder sehr spät besetzen kann – womit man dringend benötigte Fachkräfte verliert, die zwischenzeitlich anderswo unterkommen.
Will man die Leistungszulagen beibehalten, müssen sie stärker reguliert und es sollte Transparenz bezüglich ihrer Vergabe geschaffen werden. Vor allem aber muss sichergestellt werden, dass Verhandlungen nicht externe Rufe voraussetzen. Auch sollte der dadurch entstehende Unterschied zwischen den Professor*innen und dem sonstigen akademischen Personal beseitigt werden. Soll es Zulagen geben, müssen sie für alle Stufen der akademischen Karriere möglich werden.
Doch man braucht nicht zwingend an den Leistungszusagen festzuhalten, wenn sich ihre Nachteile als schwerwiegender erweisen als ihre Vorzüge. Jetzt ist eine gute Gelegenheit, dieses Instrument im Rahmen einer größeren Reform der wissenschaftlichen Personalstrukturen mit zu überdenken und nach brauchbaren Alternativen zu suchen. Mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ist es, auch wenn sie gelingt, nämlich längst nicht getan. Im Gegenteil: Die Arbeit für Gesetzgeber wie Hochschulen fängt gerade erst an.