Das 2016 initiierte Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses soll der Tenure-Track-Professur in Deutschland endgültig zum Durchbruch verhelfen. Um sich über die bisherigen Erfahrungen mit der Neueinrichtung, Besetzung und Integration dieses Karrierewegs auszutauschen, haben die Universitäten Jena, Freiburg, Mainz, Frankfurt und Hannover zusammen mit dem Universitätsnetzwerk German U15 am 29. und 30. September 2020 zu einer Tagung unter dem Titel „Die Tenure-Track-Professur. Impulsgeberin für das deutsche Wissenschaftssystem“ nach Berlin eingeladen. Finanziell unterstützt wurden sie dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Der nun vorliegende gleichnamige Tagungsband dokumentiert ausführlich die elaborierten Diskussionen der zwei Tagungstage und lässt neben Vertreter:innen von Hochschulleitungen, Forschungsförderorganisationen und Bundestagsfraktionen auch mehrere Tenure-Track-Professor:innen zu Wort kommen.
Die ersten drei Kapitel dienen dabei einer durch die Keynote von Prof. Dr. Reinhard Jahn eingeleiteten und strukturierten Bestandsaufnahme. Deutlich wird hier zum einen, welche grundlegenden Vorteile dieser Karriereweg für Wissenschaftler:innen bietet und wie Hochschulleitungen die davon ausgehende transformative Kraft für die eigene strategische Neuausrichtung und Profilschärfung nutzen. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass sich dieser Karriereweg nicht reibungslos in ein bestehendes System integrieren lässt und beispielsweise die damit einhergehenden neuen Berufungs- und Bewertungsverfahrungen institutionelle Lernprozesse ausgelöste haben, die auch zukünftig einer qualitätsbasierten Weiterentwicklung bedürfen.
Die Kapitel vier und fünf dokumentieren den zweiten Tagungstag, an dem nach der internationalen Attraktivität der Tenure-Track-Professur gefragt und die katalytischen Effekte für das gesamte wissenschaftliche Karrieresystem in den Blick genommen wurden. Dass die international hinlänglich bekannte Tenure-Track-Professur die Attraktivität deutscher Hochschulen für internationale Wissenschaftler:innen steigert, steht dabei außer Frage. Gleichwohl gilt es auch hier fortbestehende Hemmnisse, wie die nur schwer vermittelbare Vielfalt an Karrierewegen und Fördermöglichen oder die Voraussetzung profunder Kenntnisse der deutschen Sprache für die grundständige Lehre oder die Gremienarbeit weiter abzubauen. Die Verlässlichkeit akademischer Karrierewege in Deutschland wird von verschiedenen Akteuren naturgemäß sehr unterschiedlich bewertet. Einigkeit besteht aber darüber, dass die akademischen Karrierewege reformbedürftig sind. Die Förderung einer frühen Selbständigkeit von promovierten Wissenschaftler:innen und die Transparenz der Besetzung- und Evaluationsverfahren erscheint hierbei auch für Karriereziele neben der Professur wegweisend zu sein.
Das Damoklesschwert, dass über allen Diskussionen schwebt, ist jedoch die Frage nach der Nachhaltigkeit des Bund-Länder-Programms. Der sehr erfreuliche Zuwachs an Tenure-Track-Professuren verwundert angesichts der finanziellen Anreize des Programms wenig. Aber selbst die Enthusiast:innen unter den Hochschulleitungen werden sich nach dem Auslaufen der Förderung Gedanken darüber machen müssen, wie viele Neu- und Nachbesetzungen mit Tenure-Track sie sich noch leisten werden können. Denn bei allen Vorteilen, die Tenure-Track-Verfahren für alle Beteiligten mit sich bringen, bleiben sie vergleichsweise kostenintensiv. Entweder, weil es sich um vorgezogene Neuberufungen handelt oder weil die in den ersten Jahren typischerweise verringerten Deputate zumindest kompensiert werden müssen. Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass auf den steilen Anstieg an ausgeschriebenen Professuren mit Tenure-Track ein ebenso starker Abfall folgt.
Einen über die Dokumentation der Tagung hinausgehenden Mehrwert liefern die im Band abgedruckten Positionen von Vetreter:innnen der Hochschulleitungen der veranstaltenden Universitäten aus Frankfurt am Main, Freiburg, Hannover, Mainz und Jena und des German U15 e.V. zu den jeweiligen Tagungspanels. Zudem ermöglichen die durch die Autorin Angela Borgwardt aufbereiteten Hintergrundinformationen und die Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Diskussionen einen schnellen Überblick für Eilige.
Um den mit der Tagung begonnenen Austausch systematisch fortzuführen und zu professionalisieren, wurden am zweiten Tagungstag vier bundesweite Arbeitsgruppen gegründet, die sich zentralen Themenkomplexen bei der Weiterentwicklung der Tenure-Track-Professur widmen und in denen sich rund 70 Teilnehmer:innen aktiv einbringen. Denn auch das ist während der Tagung deutlich geworden: Die Etablierung eines neuen Karrierewegs und die mithin initiierte Transformation des Karrieresystems ist kein Selbstläufer und braucht auch zukünftig einen intensivierten Austausch auf unterschiedlichen Ebenen. Und das nicht zuletzt auch deshalb, weil Hochschulen ihr wissenschaftliches Personal in der Regel wechselseitig ausbilden.
Der Tagungsband kann hier online abgerufen werden: https://tenuretrack-deutschland.de/tagungsband
Weitere Informationen zu den Arbeitsgruppen finden sich hier: https://tenuretrack-deutschland.de/bundesweite-arbeitsgruppen
Die komplette Tagung ist ebenfalls als Videoaufzeichnung verfügbar: https://tenuretrack-deutschland.de/tagungsvideos/