Wie in anderen Ländern schon lange üblich, sollen auch in Deutschland verstärkt Tenure-Track-Professuren vergeben werden. Junge Forscherinnen und Forscher sollen also die Chance bekommen, den Weg vom Doktor zum Professor auf Lebenszeit mit klarem Zeitplan und klaren Erfolgskriterien zu absolvieren. Bund und Länder haben sich 2016 auf den Nachwuchspakt geeinigt. In einem zweistufigen Verfahren soll das Programm die Tenure-Track-Professur als zusätzlichen Karriereweg für den Forschungsnachwuchs in Deutschland dauerhaft etablieren. Insgesamt 1.000 neue Stellen verspricht die im letzten Jahr geschlossene Bund- Länderkooperation. Der Bund nimmt dafür eine Milliarde Euro in die Hand. Und steckt sich hohe Ziele: Das Programm soll die Wissenschaft als Arbeitsfeld nicht nur attraktiver und besser mit einer Familie vereinbar machen. Es soll außerdem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu bringen, sich früher für die Arbeit in der Forschung zu entscheiden und insgesamt einen Kulturwandel an den Hochschulen auslösen. Am 6. Juni ist jetzt Stichtag: Bis dahin müssen die Anträge der Länder beim Bundesbildungsministerium eingegangen sein. Die Unis haben sich zuvor bei ihren Landesregierungen um die Bundesmittel beworben. Und die Länder mussten sich verpflichten, alle neuen Stellen auch über die Laufzeit des Nachwuchspakts hinaus zu finanzieren.
Auf die Konzepte der Unis kommt es an
Damit die hohen Ziele erreicht werden können, sollen die Hochschulen ihre Personalentwicklung verbessern. In vier Feldern müssen die Konzepte der Hochschulen ihre Strategien erläutern, um von den Bundesmitteln zu profitieren:
- Bestandsaufnahme der Personalstruktur und des Berufungs- und Karrieresystems:
Die Pflicht. Als erstes müssen die Unis abbilden, wie bei ihnen gearbeitet wird, wie zum Beispiel das Verhältnis von Profs zu Mittelbau aussieht und wie sie ihre Stelleninhaber rekrutieren. - Weiterentwicklung der Personalstruktur und der Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses:
Hier wird nach Zukunftsperspektiven gefragt. Was tun die Hochschulen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Wie kann sich das vorhandene Personal weiterbilden, wie werden Berufseinsteiger gefördert – Fragen, die im Gegensatz zur Unternehmenswelt im akademischen Bereich vielerorts noch kaum eine Rolle spielen. - Implementierung des neuen Karrierewegs der Tenure-Track-Professur einschließlich von systemischen Instrumenten für ihre Verstetigung.
Hier wird es ernst. Die Unis sollen zeigen, wie sie künftig den Nachwuchs mit Aussicht auf Lebenszeitstellen in ihre Planungen und in die Praxis einbeziehen wollen. An dieser Stelle findet der eigentliche Wandel statt, den der Nachwuchspakt bewirken will. Die attraktive Perspektive für hochqualifizierte junge Forscherinnen und Forscher, die Planbarkeit des Karriere- und Lebensentwurfs, aber auch der Umgang mit der Konkurrenz zu anderen Qualifizierungs- und Beschäftigungsmodellen soll hier skizziert werden. - Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf dem Weg zur Professur:
Als Forderung ebenso ein Klassiker wie die nach besserer Personalentwicklung. Die Finanzierung der Tenure-Track-Stellen sieht auch Unterbrechungen für Elternzeiten vor. Aber auch abseits der Auszeiten sind die Hochschulen als Arbeitgeber gefordert, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen, wenn sie eine Familie gründen.
Vergabe nach Länder-Proporz und Qualität
Die Verteilung der Stellen läuft nach der Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft der Länder, wie im Königsteiner Schlüssel festgelegt. Für beide Runden sind jeweils 500 Stellen vorgesehen.
Zumindest in der ersten Runde kann kein Land mehr Stellen erhalten, als ihm nach seiner Größe zustehen. Auch dann nicht, wenn die Konzepte der Universitäten aus einem Bundesland eigentlich eine Vergabe von mehr Stellen gerechtfertigt hätten. Reicht die Qualität der eingereichten Konzepte aus einem Bundesland allerdings nicht aus, können durchaus weniger Stellen vergeben werden, als nach dem Schlüssel vorgesehen. Die übrigen Stellen eines Landes wandern dann zurück in den Topf für die zweite Vergaberunde 2019.
Bis dahin haben abgelehnte Unis Zeit, ihre Konzepte zu überarbeiten. Dafür erhalten sie ein umfangreiches Feedback von der Vergabekommission. Außerdem können sich in der zweiten Runde auch Hochschulen bewerben, welche die erste Runde ausgelassen haben. Auch in der zweiten Runde werden die Stellen dann zunächst nach der Größe der Länder vergeben. Sollten dann aufgrund mangelhafter Konzepte wieder Stellen übrig bleiben, geht es nur noch nach der Qualität: So können auch Unis zum Zug kommen, obwohl das Kontingent ihres Bundeslandes bereits ausgeschöpft ist. Immer vorausgesetzt, das Land garantiert die anschließende Finanzierung der Stellen.
Schwammige Verpflichtungen der Länder
Trotz aller guten Ziele lässt die Ausschreibung auch einiges offen: So müssen sich die Länder zwar verpflichten, die Stellen auch über den im Programm zugesagten Zeitraum bis 2032 hinaus dauerhaft zu finanzieren. Gleichzeitig ist aber nicht klar, was passiert, wenn die Länder plötzlich keine Mittel für die Finanzierung haben oder keine ausgeben wollen – aus welchen Gründen auch immer. Auch die Zuordnung der Stellen zu den Hochschulen ist bewusst offen gehalten, so dass die Landesregierungen frei über die Ansiedlung der Stellen verfügen können. Eine Stelle kann also mit dem hervorragenden Konzept eines Uni-Standortes gewonnen, später aber zu einem anderen verschoben werden.
Die in allen Veröffentlichungen zum Programm beschworene Nachhaltigkeit des Nachwuchspakts wird sich also letztlich doch wieder in den Ländern entscheiden. Und als zuallererst steht da wieder die Finanzierung im Mittelpunkt: Nur wenn die Stellen weiter besetzt werden, wenn Mittel für eine zweite, dritte und weitere Generation von Tenure-Track-Professoren vorhanden sind, kann der „neue Karriereweg“ tatsächlich etwas bewegen. Und auch nur dann, wenn die Hochschulen mit den durchdachten Strategien zur Einbindung der neuen Kollegen sich darauf verlassen können, dass sie die gewonnen Stellen in ihrem Sinne einsetzen können – und die Professuren nicht als falsch verstandene „Strukturförderung“ an andere Standorte abgezogen werden.
Grundsätzlich wird der Nachwuchspakt in den nächsten Jahren einen weiteren Weg in die wissenschaftliche Karriere öffnen. Viele warten darauf schon seit langem. Ob den bundesfinanzierten Tenure-Track-Professoren weitere länderfinanzierte folgen werden, und ob das neue Instrument tatsächlich Druck aus dem akademischen Arbeitsmarkt nimmt, wird sich zeigen.